Ein Beitrag von Hansjörg Durz, Bundestagsabgeordneter für die CSU und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda
Die Kritik an Techkonzernen wird weltweit lauter. In den USA prophezeite jüngst der demokratische Präsidentschaftskandidat Andrew Yang in einem Interview mit dem Talkmaster Bill Maher, dass in vier Jahren 30 Prozent der amerikanischen Shoppingmalls schließen werden. Grund dafür sei die Digitalisierung. Denn die Menschen würden ihre Sachen schlichtweg bei Amazon einkaufen. Diese Entwicklung hat er zum entscheidenden Thema seiner Präsidentschaftskandidatur gemacht.
Das Beispiel Amazon zeigt die Chancen und Risiken im Handel recht gut auf. Die Auswirkungen spürt der Einzelhandel auch in Deutschland längst. Wer nicht über die Plattform verkauft, hat mitunter große Probleme, Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Und in vielen Innenstädten, ganz zu schweigen von kleineren Ortschaften, kommen die Menschen zunehmend weniger, um dort einzukaufen. Stattdessen sind in Städten eher gastronomische Services gefragt. Müssen wir also Händler wie Amazon zerschlagen, um den Einzelhandel zu retten?
Nein – und zwar aus einer Vielzahl von Gründen. Damit würden wir zum Beispiel alle Vorteile wegwischen, die diese Entwicklung bietet. Die Digitalisierung von Märkten versetzt den Verbraucher in die Lage, aus einem schier unbegrenzten Sortiment auszuwählen, Produkte und Preise miteinander zu vergleichen, sie zu bewerten und sie – nach dem Kauf – direkt nach Hause liefern zu lassen. Dabei erreicht der Online-Handel auch dort ein Angebot, wo vormals keines war, also in abgelegenen Regionen. Es ist ein weiterer Schritt hin zum mündigen Verbraucher, wie es auch ein Ziel der Sozialen Marktwirtschaft ist.
Doch auch für Händler hält die Digitalisierung viele Chancen bereit. Zum einen haben Anbieter eine potentiell riesige Anzahl von Kunden. Nicht umsonst spricht man vom „Death of Distance“ – die Distanz zwischen Anbieter und Käufer spielt beim Kaufprozess immer weniger eine Rolle. Viele deutsche Händler verkaufen bereits ins Ausland. Der E-Commerce insbesondere im europäischen Binnenmarkt begünstigt diese Entwicklung enorm.
Andererseits hinterlässt jeder, der digital einkauft, Daten. Smarte Produkte produzieren ebenfalls beständig Daten. Wer diese geschickt auswertet, kann sein Angebot besser auf seine Zielgruppe zuschneiden und Produkte individualisieren und somit verbessern. Das klingt wie die Digitalisierung des Tante-Emma-Ladens: Damals kannte der Verkäufer die Vorlieben seines Kunden und hatte sie im Kopf, heute auf dem PC oder Smartphone.
Die Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland sind dazu aufgerufen, sich die Kompetenzen für diese neue digitale Welt anzueignen, um im zukünftigen Wettbewerb zu bestehen. Und die Politik? Legt die Füße hoch?
Mitnichten! Denn es ist unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen für eine funktionierende digitale Ökonomie zu schaffen und einerseits Chancen zu ermöglichen, aber auch Risiken zu begegnen. Um dies in einem fairen wettbewerblichen Umfeld möglich zu machen, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Wettbewerbskommission 4.0 eingesetzt, die kürzlich ihren Bericht vorgelegt und für marktbeherrschende Plattformen klare Verhaltensregeln empfohlen hat: So soll die Begünstigung eigener Dienste im Verhältnis zu Drittanbietern untersagt, Selbstbegünstigung damit verboten werden. Dies ist eine klare Vorgabe für Plattformanbieter, die nicht nur die technische Infrastruktur bereitstellen, sondern auch eigene Produkte dort vermarkten. Des Weiteren sollen marktbeherrschende Plattformen verpflichtet werden, ihren Nutzern den Zugriff auf ihre Daten in Echtzeit zu ermöglichen.
Diese Vorschläge zielen auf mehr Transparenz in der digitalen Ökonomie. Und Transparenz ist die Voraussetzung für ein wettbewerbliches Umfeld. Damit wird das Grundgerüst unserer Sozialen Marktwirtschaft – das Wettbewerbsrecht – fit gemacht für die Zukunft. Denn auch in einer digitalen Wirtschaft brauchen wir einen fairen und funktionierenden Wettbewerbsrahmen. Handel braucht Wandel!
Dieser Beitrag wurde am 16. September auf dem Blog des Handelsverbandes Deutschland veröffentlicht: https://einzelhandel.de/blog/12353-amazon-verbieten-es-gibt-einen-besseren-weg